Chainmaille Schnelleinstieg
Aller Anfang ist schwer. Das ist auch bei Chainmaille nicht anders. Dieser Artikel beschreibt ganz grob, was man alles für das Handwerk braucht und woran man am Anfang denken sollte. Jeder Bereich wird in zukünftigen Artikeln weiter behandelt und ausführlich besprochen.
Bei maillen geht es ganz grob gesprochen darum, aus einem Metalldraht entweder einen Ringpanzer oder schönen, verwobenen Schmuck herzustellen. Obwohl das zwei völlig verschiedene Bereiche sind, werden sie beide in der Lektüre oft unter folgenden Begriffen geführt: Chainmail, Chainmaille, Chain maille, Maille. Das finde ich persönlich ganz schön verwirrend und überall wird es unterschiedlich geschrieben. Nachdem ich mich dabei ertappt hatte, selbst auch die Schreibweise zu variieren, habe ich für mich dann irgendwann selbst festgelegt, dass Chainmail die Anfertigung von Ringpanzer bedeutet und historische Herkunft besitzt. Chainmaille hingegen ist das Anfertigen von Kettenschmuck bzw. der Schmuck an sich und eher neumodisch. Es mag Leute geben, die diese Unterscheidung als völligen Blödsinn erarchten. Für mich habe ich es jedoch so festgelegt.
In meinem Blog schreibe ich hauptsächlich über Chainmaille, also Kettenschmuck. Was wird nun dafür benötigt?
Der komplette “Vom-Draht-zum-Schmuck”-Weg:
- viel Draht
- eine Stange, um den man den Draht wickelt
- einen Seitenschneider, mit dem man Ringe von dem aufgewickelten Draht abzwickt bzw. eine Säge
- zwei Zangen, um die Ringe verbiegen und ineinander verweben zu können
Der einfache “Von-Ringen-zum-Schmuck”-Weg:
- man kauft sich fertige Ringe
- zwei Zangen, um die Ringe verbiegen und ineinander verweben zu können
Wie man von fertigen Ringen zu dem Schmuck kommt, mag sich der ein oder andere leicht denken können. Man schnappt sich die Ringe, verwebt sie ineinander. Fertig.
Aber wie entstehen überhaupt die Ringe? Und aus welchem Material sollten die Ringe sein? Um den vollständigen Prozess besser verstehen zu können, werde ich in diesem Artikel auf den kompletten Weg eingehen.
1. Auswahl des Materials
Man braucht als Erstes einen Metalldraht. Draht gibt es in den verschiedensten Materialien, Längen und Durchmessern. Die gebräuchlichsten Drähte für Chainmaille sind aus Kupfer, Aluminium, Edelstahl, Silber, Gold oder Titanium. Bunte Drähte bekommt man nur aus Kupfer oder Aluminium.
(links: Edelstahldraht auf Spule, in der Mitte: gefärbter Kupferdraht, rechts: loser Edelstahldraht, im Hintergrund: gefärbter Aluminiumdraht)
Neulinge sollten mit Aluminium oder Kuper anfangen. Beides ist sehr weich und lässt sich daher leicht verarbeiten. Außerdem ist der Draht im Vergleich zu anderen Metallen kostengünstig und schont gerade am Anfang deutlich die Geldbörse. Aber eine kleine Warnung: Kupfer ist extrem weich und man kann den Draht mit bloßen Händen verbiegen und auch den fertigen Schmuck verformen. Nichts für die Ewigkeit! Also dann doch eher nur mit Aluminium anfangen!
Nach einiger Erfahrung kann man dann auf andere Materialien umsteigen. Ich selbst bevorzuge Edelstahl. Allerdings ist Edelstahl sehr hart und damit schwerer zu verarbeiten. Von teuren Drähten wie Silber lasse ich noch die Finger, da ich noch zu viel Ausschuss produziere und damit unnötige hohe Kosten habe, was mir in dem Falle einfach zu schade ist.
2. Das Wurmen
Hat man sich für ein Material entschieden, braucht man anschließend daraus die passenden Ringe. Die Ringe kann man entweder fertig kaufen oder man stellt sie selbst her. Häufig umstritten wird jedoch, welches davon die sinnvollere Variante sei. Wie ich bereits anfangs geschrieben habe, werde ich hier den kompletten Weg aufzeigen und daher beschreiben, wie man die Ringe selbst anfertigen kann.
Um einen Draht in Ringform zu bringen, braucht man hierfür einen Stab, den sogenannten Dorn. Für Kettenschmuck braucht man viele unterschiedlich große Ringe und pro Ringgröße braucht man einen entsprechenden Stab. Entscheidend ist bei diesem Schritt wie groß die Ringe später werden sollen im Vergleich zu dem Drahtdurchmesser. Dieses Verhältnis wird Aspect Ratio genannt und ist ein guter Maßstab dafür, ob mit vorliegenden Ringen ein bestimmtes Muster gemacht werden kann oder nicht. Der optimale Aspect Ratio von dem bekannten European 4 in 1 beträgt zum Beispiel 4,0. Die Ringe sind hierbei recht groß im Vergleich zum Drahtdurchmesser und wirken “dünn”. 2,9 Aspect Ratio hat hingegen ein anderes Muster namens Jens Pind Linkage (JPL). Ringe in diesem Format sind recht kompakt und wirken “dick”. Eine Übersicht zu diesem Thema gibt es hier. Ausgehend von diesen Werten kann man mit ein bisschen Mathematik dann auf die Suche nach geeigneten Stäben gehen.
(links: Eine Auswahl an verschiedenen Dornen, rechts: aufgewickelter Draht um einen Dorn)
Den Draht wickelt man nun um einen entsprechenden Stab. Dadurch entsteht eine Spirale, wie auf der obigen Abbildung rechts zu sehen ist. Diese Spirale wird als Wurm bezeichnet und der ganze Prozess als Wurmen. Auf Englisch heißt das Ganze dann Coiling bzw. der Wurm Coil.
Hat man den Draht bis zum Ende des Dorns gewickelt, zwickt man ihn vom restlichen Draht ab. Hier ist allerdings äußerste Vorsicht geboten und auch wenn das hier ein Schnelleinstieg ist, möchte ich darauf näher eingehen:
Der Draht wird beim Wickeln unter Spannung versetzt. Je härter der Draht ist, desto größer wird die Spannung. Beim Abzwicken entfaltet sich die Spannung und der Draht versucht sich quasi wieder von dem Dorn abzuwickeln. Bei Kupfer ist das überhaupt kein Problem, da die Spannung bei diesem sehr weichen Metal praktisch bei Null liegt. Bei hartem Metall, wie zum Beispiel Edelstahl oder Titanium sieht das allerdings ganz anders aus. Hier knallt es beim Abtrennen des Drahts regelrecht und der Wurm fliegt förmlich um den Dorn und wickelt sich ein paar Windungen ab. Das abgeschnittene lose Ende wird dadurch immer länger und mutiert zu einer gefährlichen Peitsche. Ich werde mal versuchen das ganze in einem Video festzuhalten, weil dieser Schritt wirklich gefährlich ist. Ich kann von Glück reden, dass mir beim allerersten Abzwicken eines Edelstahldrahts nichts passiert ist. Auf diese große Kraft war ich nicht wirklich vorbereitet.
Um diesen Effekt zu entkräften, sollte man kurz vor dem Abzwicken den Draht ein paar Windungen wieder von dem Dorn abwickeln. Damit hebt man einen Teil der Spannung auf und der Draht fliegt einem danach auch nicht mehr um die Ohren.
(links: Fehler beim Wurmen, mitte: Würmer direkt nach dem Aufwickeln, rechts: fertige Würmer)
Den Wurm zieht man anschließend von dem Stab ab und entfernt die nicht aufgewickelten Stellen am Anfang und Ende des Wurms. So erhält man einen fertigen und hoffentlich gleichmäßigen Wurm. Falls man jedoch beim Wurmen unachtsam ist oder das falsche Equipment hat, bekommt man unschöne Wickelfehler. Durch genügend Übung bekommt man diese Fehler allerdings recht schnell weg.
3. Herstellung der Ringe
Die Ringe erhält man, in dem man sie von dem Wurm abknipst. Einen nach dem Anderen, Ring für Ring und solange die Geduld mit macht. Hat man noch gar keine Ausstattung, rennt man am einfachsten in den Baumarkt seines Vertrauens und besorgt sich einen guten Seitenschneider. Um halbwegs gute Ergebnisse erzeugen zu können, muss der Seitenschneider stabil sein und gut geschliffene aber kleine Schnittflächen aufweisen. Kleine Schnittflächen deshalb, da durch das Abknipsen eine Lücke entsteht und diese so klein wie möglich sein muss. Ist der Abstand zwischen den zwei Schnittflächen zu groß würde man im geschlossenen Zustand nur ovale Ringe produzieren bzw. würde man bei härterem Material sie gar nicht mehr richtig schließen können.
(links: Abknipsen der Ringe mit einem Seitenschneider, rechts: Aufsägen des Wurms)
Um qualitativ hochwertigere Ringe anzufertigen braucht man eine Säge. Weiche Metalle, wie Kupfer, Silber und Gold kann man mit einer feinen Juweliersäge aufsägen. Damit bin ich aber wirklich nie Freund geworden und mir war das viel zu fummelig.
Es gibt aber auch noch den “industriellen” Ansatz. Für Chainmaille gibt es eine handvoll Anbieter, die eine Säge-Lösung anbieten. Für den Anfang ist jedoch davon abzuraten. Für ein wirklich gutes Setup muss man schon hunderte an Euros ausgeben. Wie es bei Chainmaille leider oft der Fall ist, bekommt man entsprechende Austattung nur in Amerika und muss zusätzlich zu dem hohen Versand auch noch hohe Zollgebühren miteinberechnen. Eine Bestellung mit 100 Euro Warenwert beläuft sich dann in der Summe schnell auf das Doppelte. Da überlegt man sich schon zweimal, ob man so eine Investition tätigen möchte. Der Knackpunkt bei der Geschichte: Fertige Ringe bekommt man überwiegend auch nur aus Amerika. So oder so muss man dafür viel Geld ausgeben. Wer jedoch Aluminium Ringe braucht hat Glück, denn die kann man auch in Deutschland beziehen und auch so gibt es auf dem europäischen Markt ein paar Händler die eine kleine Auswahl an verschiedensten Ringen anbieten. Aber wie es immer so ist, werden genau die Ringe, die man braucht nicht angeboten und man muss doch auf den amerikanischen Markt ausweichen. Dieses ganze Hin- und Her war mir dann irgendwann doch zu blöd und deswegen habe ich angefangen mir ein komplettes Setup aufzubauen. So kann ich dann auch am Wochenende, wenn ich spontan merken sollte, dass mir Ringe fehlen, in kürzester Zeit noch welche anfertigen. Über das Setup, die Händler und Anschaffungskosten werde ich mal einen gesonderten Artikel schreiben.
4. Vorbereiten der Ringe
Ist man im Besitz von fertigen Ringen, kann man mit seinem Werkstück eigentlich schon fast anfangen. Damit das Verarbeiten der Ringe schneller geht, lohnt es sich jedoch, die Ringe so vorzubereiten, damit man sie später einfach nur noch zu verwerben braucht. Für das Verarbeiten braucht man geschlossene und aufgebogene Ringe. Die Ringe, egal wie man sie hergestellt hat, sind ursprünglich etwas geöffnet. Einen Teil der Ringe biegt man auf und einen anderen Teil schließt man. Das ganze macht man mit zwei Zangen. Für die weichen Metalle muss man auf jeden Fall Zangen ohne Zähne verwenden, da man ansonsten die Legierung kaputt machen würde. Ringe aus harten Metallen, wie Edelstahl, kann man auch mal mit Zangen mit Zähnen bearbeiten. Aber auf jeden Fall am Anfang einfach mal antesten und einen genauen Blick auf die bearbeiteten Ringe werfen.
(oben mitte: (v.l.n.r) aufgesägter Ring, geschlossener Ring, aufgebogener Ring. Unten links: fertige Ringe nach dem Sägen. Unten rechts: Zangen und Ringe nochmal in Draufsicht)
Das Vorbereiten ist eine recht monotone Arbeit, aber um das ganze kurzweiliger zu gestalten kann man alle paar Minuten zwischen “Ringe schließen” und “Ringe aufbiegen” abwechseln. Solange bis die Geduld mitmacht. Wieviel Ringe man vorbereiten muss, hängt ganz von dem geplanten Projekt ab. Oft braucht man jedoch mehr aufgebogene Ringe, als geschlossene. Beim Ringe-Schließen muss man darauf aufpassen, dass die Schnittflächen exakt übereinander liegen. Arbeitet man hier nicht genau sieht das zum Einen, beim genaueren Hinsehen, recht unschön aus und zum Anderen wird der Schmuck kratzig und man bleibt leicht mit einem Schal der einem anderen Kleidungsstück daran hängen.
Jetzt kann es dann aber wirklich mit dem Verarbeiten der Ringe losgehen.
5. Verarbeiten der Ringe
Um die Ringe zu verarbeiten braucht man folgende Dinge: Zwei Zangen, wie im vorherigen Abschnitt bereits beschrieben, viele (vorbereitete) Ringe, ruhige Hände und auch hier wieder viel Geduld. Bei komplexen Mustern sind gerade am Anfang die verwobenen Ringe äußerst instabil und verlieren schnell die gewünschte Struktur. Das Ergebnis ist in dem Fall ein “Ring-Salat”, den man nicht mehr in die ursprüngliche Form zurückbekommt ohne komplett verrückt zu werden und man muss wieder von vorne anfangen. Daher sollte man auf jeden Fall die ersten Ringe fixieren. Das geht am Besten mit einem Pappkarton und Nadeln oder einem Tesafilm, wie es auch in diesem Tutorial gut ersichtlich ist.
(am Anfang lieber die Ringe fixieren)
Beim Verarbeiten geht es darum ein bestimmtes Muster immer wieder zu verweben. Sind ein paar Wiederholungen geschafft, wird das ganze Konstrukt zunehmend stabiler und irgendwann kann man sein Werkstück ohne Fixierung weiter bearbeiten. Der geübte Mailler bekommt es auch ganz ohne Fixierung hin.
(oben links: gesägte Ringe, oben rechts: aufgebogene Ringe, unten links: verwobene Ringe, unten mitte: geschlossene Ringe, unten rechts: mehr verwobene Ringe)
Jetzt heißt es dann “nur noch” wiederholen, wiederholen, wiederholen. Das Muster wiederholt man so lange bis die gewünschte Länge bzw. Größe erreicht ist. Für Ungeduldige wieder eine kleine Warnung: Es dauert wirklich Stunden, bis man eine Kette auf Arm- oder Halsumfang angefertigt hat. Die Mühe und Zeit ist es aber auf jeden Fall Wert!
6. Optional: Fertigen Schmuck reinigen
Betreibt man Chainmaille professionel legt man den Schmuck zusätzlich noch in einen Tumbler, um ihn auf Hochglanz zu polieren und zu säubern. Aber da ich Maillen nur als Hobby betreibe, selbst noch keinen Tumbler besitze und Hochglanz-Schmuck auch nicht wirklich mag, kann ich hier nicht viel darüber schreiben. Auf YouTube gibt es jedoch zahlreiche Videos zum Thema Tumbler, empfehlen kann ich ein Video von Melissa Muir.
7. Freuen
Jetzt ist es dann aber wirklich endlich geschafft. Aus Draht wurden Ringe und aus Ringen der fertige Schmuck. Der Schmuck sieht nicht nur gut aus, sondern fühlt sich auch gut an. Oft halte ich den Schmuck nur in den Händen und fahre mit den Fingern die Konturen entlang.
Es gibt so viele Möglichkeiten, was man mit Chainmaille anfertigen kann. Für einen kleinen Einblick habe ich im Folgenden mal ein paar meiner Schmuckstücke zusammengestellt.
(Auswahl von fertigem Schmuck aus Edelstahlringen)
Ich kann nur nochmals an eure Geduld appelieren. Haltet durch! Bei jedem Versuch wird es besser und schneller klappen. Wer ein Muster beherrscht, wird sich bald nach neuen Herausforderungen umschauen wollen. Im Netz wird man natürlich schnell fündig, so gibt es zum Beispiel auf M.A.I.L (Maille Artisans International League), der wohl wichtigsten Anlaufstelle in Sachen Chainmaille, Tutorials der beliebtesten Muster, oder im Forum von The Ring Lord zahlreiche Artikel und Bilder rund um das Thema Chainmaille.
Wo auch immer man sich die Ideen holen mag, schnell befindet sich man wieder an seinem Arbeitsplatz und fängt das ganze Spiel wieder von vorne an.
Happy Mailling!